Kastration bei Hunden
Für manche Hundebesitzer stellt sich diese Frage überhaupt nicht, andere sind überzeugt davon und die nächsten sind unsicher, ob es Sinn macht – die Kastration von Hunden. Gerade Männer haben häufig ein mentales Problem mit der Vorstellung, dass ihr Rüde kastriert werden soll…
Der Hauptgrund zur Kastration von Hündinnen ist die Verhinderung von unerwünschter Trächtigkeit. Bei Rüden erhoffen sich viele Besitzer eine positive Veränderung im Verhalten.
Inhaltsverzeichnis
Kastration oder Sterilisation
Recht hartnäckig hält sich die Ansicht: „Rüden werden kastriert, Hündinnen werden sterilisiert.“ Was ist dran an dieser Aussage?
Bei der Kastration werden bei Rüden die Hoden und bei Hündinnen die Eierstöcke entfernt. Damit hört die Produktion der Geschlechtshormone auf, es gibt keine Läufigkeit mehr und es können keine Welpen mehr gezeugt werden.
Bei der Sterilisation werden dagegen Samenleiter bzw. Eileiter nur durchtrennt. Die Produktion der Geschlechtshormone in Hoden oder Eierstock erfolgt jedoch weiterhin – und damit auch ihre Wirkung. Hündinnen zeigen also immer noch Läufigkeitssymptome und Rüden bleiben „triebig“. Das Verhalten oder die Körperentwicklung der Hunde bleiben unbeeinflusst.
Die Sterilisation hat heutzutage keine Bedeutung, auch Hündinnen werden kastriert.
Neben der chirurgischen Kastration gibt es für Rüden mittlerweile die Möglichkeit der „chemischen“ Kastration mittels Hormonchip. Hierbei wird für einige Monaten die Produktion der Geschlechtshormone unterdrückt. Der Chip wird empfohlen, um über einen begrenzten Zeitraum die Auswirkungen der Kastration zu testen. Spätestens nach Ablauf der Wirkungszeit müsste ein neuer Chip implantiert werden, wenn Sie den Effekt ohne chirurgische Kastration bei Ihrem Hund aufrecht erhalten möchten. In unserer Praxis sehen wir den Chip aus folgenden Gründen kritisch: bei Unverträglichkeiten o.ä. kann der Chip nicht entfernt werden und es gibt noch zu wenige Langzeiterfahrungen, z.B. zum Einfluss auf das Verhalten.
Rechtliche Grundlagen
Prinzipiell dürfen keinem Tier ohne vernünftigen Grund Organe entfernt werden. Das bedeutet, dass die Indikation zur Kastration genauso streng zu stellen ist wie für jede andere Operation auch. Die eigene Bequemlichkeit von Frauchen oder Herrchen, wenn der Familienhund nicht konsequent erzogen wird und dementsprechend zu Rüpelverhalten neigt, stellt keine alleinige OP-Indikation dar. Die Entscheidung für oder gegen eine Kastration sollte also immer unter Berücksichtigung mehrerer Faktoren getroffen werden.
Verhaltensbedingte Indikationen zur Kastration
Nichtsdestotrotz haben Aggressivität unter Artgenossen, Markieren oder übersteigerter Jagdtrieb (bei nicht jagdlich geführten Rassen) Ihres Hundes einen Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Kastration. Im Ergebnis der Kastration kann sich das Sozialverhalten von Hunden deutlich verbessern. Die Kastration kann aber nie ein Ersatz für falsche Erziehung oder zu wenig Beschäftigung und Bewegung für aktive Hunde sein. Sie ist kein Allheilmittel für die „automatische“ Veränderung von unerwünschten Verhaltensweisen. Durch die Kastration verändert sich nur das Verhalten, welches speziell durch die Geschlechtshormone gesteuert wird. Für das weitere Verhalten tragen Sie als Hundebesitzer mit artgerechter Haltung und konsequenter Erziehung die Verantwortung.
Medizinische Indikationen zur Kastration
Aus medizinischer Sicht spricht einiges für eine Kastration von Rüden oder Hündinnen.
Hunde reagieren nach der Kastration oft mit gesteigertem Appetit. Das kann man sich bei Tieren, die ihr Futter schlecht verwerten und permanent zu mager sind, zunutze machen. Nach der Kastration wird das Futter häufig besser verstoffwechselt.
Bei Hündinnen sind immer wiederkehrende Gebärmutterentzündungen eine klare Indikation zur Kastration. Eitrige Gebärmutterentzündungen (Pyometra) sind als Notfall akut behandlungsbedürftig, wobei häufig die komplette Entfernung der Gebärmutter erfolgt. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Hündin die Erkrankung nicht übersteht.
Eine Empfehlung zur Kastration stellt sich bei stark ausgeprägter Scheinträchtigkeit bei jeder Läufigkeit. Diese Situation mit Nestbau und Gesäugebildung ist für Hündinnen nicht unproblematisch und kann mit der Kastration umgangen werden.
Die Kastration vor Ende des ersten Lebensjahres kann bei Hündinnen zur Vermeidung von Gesäugetumoren beitragen.
Wenn Sie sicher sind, dass Sie mit Ihrer Hündin keinesfalls züchten möchten, spricht auch nichts gegen eine Kastration bereits vor der ersten Läufigkeit. Im Gegenteil – die Junghündinnen verkraften die Operation in der Regel sehr gut, während bei älteren Tieren erfahrungsgemäß das Narkoserisiko ansteigt und die Heilung mitunter verzögert ist.
Bei Rüden erfordert der Kryptorchismus eine Kastration. Die im Leistenbereich stecken gebliebenen Hoden können anderenfalls tumorös entarten.
Eine Prostatavergrößerung ist ebenfalls ein Grund für eine Kastration, vor allem, wenn die Rüden massive Probleme mit dem Kot- oder Harnabsatz haben.
Hormonabhängige Tumoren an den Geschlechtsorganen, z.B. Hodentumoren bei Rüden, stellen eine weitere Indikation zur Kastration dar.
Nach der Kastration
Durch die neue hormonelle Situation sind Veränderungen im Stoffwechsel, im Verhalten und im äußeren Habitus möglich.
Auffällig könnten vermehrte Unterwolle („Welpenfell“) oder auch dünneres Fell sowie teilweise Haarausfall sein.
Viele Hunde sind nach der Kastration ausgeglichener, was jedoch nicht mit Trägheit gleichzusetzen ist. Die täglichen Gassirunden verlaufen entspannter, wenn Rüden nicht mehr jeder läufigen Hündin hinterher rennen wollen.
Bei Hündinnen kann sich eine Inkontinenz entwickeln, wenn nicht nur die Eierstöcke, sondern auch die Gebärmutter entfernt wird. Besprechen Sie in ihrer Tierarztpraxis deshalb die geplante OP-Methode.
Durch den Wegfall der Hormonproduktion sinkt der Energiebedarf der Hunde deutlich (um etwa 30 Prozent). Bitte berücksichtigen Sie das bei der Zuteilung der täglichen Futtermenge und reduzieren Sie auch die Gabe von Leckerli, damit Ihr Hund weiterhin schlank und gesund bleibt. Kaltgepresstes 5-E Hundefutter mit moderatem Energiegehalt wie CLASSIC oder COSMO ist eine sehr gute Alternative. Unterstützen Sie Ihren Hund außerdem mit aktiver Bewegung und interessanten Spielen. Bedenken Sie, dass Übergewicht früher oder später Folgeerkrankungen wie Diabestes mellitus oder Gelenkprobleme nach sich zieht.
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Über Tierarzt Thomas Backhaus
Tierarzt Thomas Backhaus ist Spezialist für ganzheitliche Tiermedizin mit Schwerpunkt auf Mitochondrialer Medizin. 1996 gründete er die Tierärztliche Praxis zur Römischen Villa in Longuich. Heute leit